Fliegende
Brathähnchen. Das Pilgerwunder des heiligen Jakobus
Bettina
Vaupel
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Fliegende
Brathähnchen.
Vaupel PDF 
In
einer Kathedrale am spanischen Jakobsweg wurde im
15. Jahrhundert ein Hühnerkäfig installiert, der
auf ein bekanntes Jakobuswunder verweist. Auch in
Deutschland finden sich in vielen Wallfahrerkirchen
Darstellungen der Hühnerlegende.
Wer
die Kathedrale von Santo Domingo de la Calzada betritt,
muss sich auf ganz weltliche Geräusche gefasst machen.
Ein weißer Hahn und eine weiße Henne empfangen die
Besucher mit munterem Gegacker. Seit Jahrhunderten
werden hier leibhaftige Hühner in einem schmuckvollen
Käfig gehalten. In der nordspanischen Kleinstadt
am Jakobsweg soll sich das sogenannte Hühnerwunder
ereignet haben - eine der bekanntesten Legenden,
die mit dem Pilgervater Jakobus verbunden sind.
Die
Wallfahrt zur Ruhestätte von Jakobus dem Älteren,
der durch König Herodes Agrippa I. in Jerusalem
enthauptet wurde, hat eine lange Tradition. Wohl
zu Beginn des 9. Jahrhunderts wurde in Galicien
ein Grab entdeckt, das man mit dem des Apostels
gleichsetzte. Im Zuge dessen manifestierte sich
die Vorstellung, Jakobus habe in Spanien gepredigt
und seine Gebeine seien dorthin übertragen worden.
Politisch
und kirchenpolitisch gefördert, entwickelte sich
das Apostelgrab zu dem Pilgerort Santiago de Compostela,
der im ausgehenden 9. Jahrhundert auch über die
Grenzen Spaniens hinaus bekannt wurde. Unter königlicher
und bischöflicher Ägide entstanden neue Kirchen
und Herbergen. Im 12. Jahrhundert war Santiago neben
Jerusalem und Rom zu einem der drei wichtigsten
christlichen Pilgerziele überhaupt avanciert. Vor
allem aus Frankreich, Deutschland und Italien strömten
Menschen aus allen Ständen, meist in kleinen Gruppen,
an das westliche Ende der damaligen Welt. Immer
mehr Klöster, Kirchen und Gasthäuser wurden an den
Straßen und Pässen errichtet.
Die
Reise zum Grab des Jakobus versprach Heilung von
Leib und Seele, war mal Bitt- und mal Bußgang oder
der Dank für die Erhörung der Gebete. Sie war aber
auch ein Wagnis: Die einschlägigen Pilgerführer
warnten vor den Gefahren für die Gesundheit und
vor betrügerischen Wirten, Händlern oder Fährleuten.
Immerhin
stärkten die zahlreichen Wundererzählungen bei den
Wallfahrern den Glauben, unter dem besonderen Schutz
der Heiligen zu stehen - so auch die Galgen- oder
Hühnerlegende, die seit dem 12. Jahrhundert schriftlich
belegt ist. Im Liber Sancti Jacobi, einer umfangreichen
Handschriftensammlung, die auch einen Pilgerführer
enthält, führt sie die Jakobus zugeschriebenen Mirakel
an.
Auf
einer Pilgerfahrt nach Santiago de Compostela soll
sich folgendes zugetragen haben: Eine deutsche Familie
machte Rast in einer Herberge. Der hinterhältige
Wirt schmuggelte einen wertvollen Becher in das
Gepäck der Reisenden und bezichtigte sie des Diebstahls.
Der Richter sprach den Sohn schuldig und ließ ihn
hängen. Als die Eltern nach 36 Tagen aus Compostela
zurückkehrten, fanden sie ihren Sohn lebend am Galgen
- Jakobus hatte ihn die ganze Zeit gestützt. Der
zu Unrecht Verurteilte wurde vom Galgen genommen,
an seiner Stelle hängte man den Wirt.
Im
15. Jahrhundert wurde die Geschichte weiter ausgeschmückt:
Nun war es die Wirtstochter, die den Betrug vollzog.
Sie hatte sich in den Sohn verliebt und ihn verführen
wollen. Weil der keusche junge Mann standhaft blieb,
versteckte sie den Becher aus Rache. In den jüngeren
Versionen kamen dann die Hühner ins Spiel: Nach
dem freudigen Wiedersehen eilten die Eltern zum
Richter und erzählten, dass ihr Sohn noch lebe.
Der Richter wehrte ungläubig ab und deutete auf
seinen Tisch: "Euer Sohn ist so lebendig wie
diese gebratenen Hühner hier." Prompt flatterten
die Tiere empor.
In
verschiedenen Varianten fand die Legende weite Verbreitung.
Mal fliegen die Brathähnchen vom Teller des Richters,
mal vom Spieß in der Küche des Wirtes. Während sich
die Begebenheit zuerst in Toulouse abgespielt haben
sollte, wurde sie schließlich in Santo Domingo de
la Calzada angesiedelt. Das Wunder des gehängten
deutschen Pilgers ging in die Volksliteratur der
europäischen Länder ein und war auch in der Kunst
ein beliebtes Motiv.
Vor allem in den Jakobus geweihten Kirchen und Kapellen
am Weg wurde die Hühnerlegende auf Wandmalereien,
Glasfenstern oder Altarbildern gezeigt.
Ein
prominentes Beispiel ist der Zwölf-Boten-Altar,
den Friedrich Herlin 1466 für die Wallfahrerkirche
St. Jakob in Rothenburg ob der Tauber geschaffen
hat. Auf den Rückseiten der Flügel malte Herlin
einen Jakobus-Zyklus, der das Galgenwunder detailreich
über fünf Tafeln ausbreitet.
Auch
die Schlosskirche St. Jakobus im schwäbischen Winnenden
kann mit einer besonders schönen und ausdrucksstarken
Darstellung aufwarten. Die Stadt war gleichfalls
eine wichtige Station auf dem Jakobsweg, neben
dem vom Deutschen Orden errichteten Gotteshaus gab
es eine Pilgerherberge. 1520 wurde der große Schnitzaltar
aufgestellt, der dem Apostel Jakobus als Pilgervater
gewidmet war. Die untere Bildreihe der beiden Flügel
erzählt die Hühnerlegende.
Die
Santiago-Wallfahrt erlebte zwischen dem 12. und
15. Jahrhundert ihre Blütezeit, danach war ein deutlicher
Rückgang zu verzeichnen. Die Gründe waren vielfältig:
Politische Konstellationen, Kriege und Passzwang erschwerten
die Reise. Im Zeitalter der Reformation und des
Humanismus wurden Reliquienverehrung und Wunderglaube
stärker in Frage gestellt. Luthers Kritik am Ablasswesen
schloss auch die gängige Praxis der Straftilgung
durch die Pilgerfahrt ein. Die Auswüchse der gar
nicht frommen Geschäftemacherei am Jakobsweg und
die im Spätmittelalter zunehmende Zahl von Verbrechern,
die zu einer Strafwallfahrt verurteilt worden waren,
verstärkte die Unsicherheit auf dem Jakobsweg.
In
der frühen Neuzeit traten andere, regionale Wallfahrtsstätten
in den Vordergrund. Teilweise stellte der Besuch
den Gläubigen dieselben Gnaden und Ablässe in Aussicht
wie der beschwerliche Gang nach Compostela. Die
Verlagerung auf lokale Ziele tat aber der Jakobusverehrung
keinen Abbruch. Der Apostel blieb immer der Schutzherr
aller Pilger, und die Legenden, die sich um ihn
ranken, waren weiterhin präsent.
Seit
dem 19. Jahrhundert erhielt die Santiago-Wallfahrt
neue Impulse, im ausgehenden 20. Jahrhundert kam
es zu einer Renaissance ungeahnten Ausmaßes. Heute
begegnen sich wieder Menschen unterschiedlichster
Nationen auf dem Jakobsweg. Der Camino Francés,
der von den Pyrenäen nach Santiago führt, sowie
die Hauptwege durch Frankreich zählen zum UNESCO-Welterbe.
Das
Wandern auf dem alten christlichen Pilgerpfad ist
abermals zu einer Massenbewegung geworden - auch
wenn die Sinnsuche heute allgemeiner gefasst ist.
Mit den Kunstschätzen am Wegesrand rückt der Heiligenkult
um Jakobus, und mit ihm die Hühnerlegende, wieder
stärker ins Bewusstsein. In Santo Domingo de la
Calzada stehen die Tiere ohnehin im Mittelpunkt:
Die Henne gackern und den Hahn krähen zu hören,
soll Glück bringen.
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