Galgen-
und Hühnerwunder. Thema mit Variationen
Gerhard
Eichinger
http://eichinger.ch/eichifamilyhom/Reisen/Jakobsweg/Huehnerwunder/StartHWunderUeberlingen.htm
Auf
meiner Pilgerreise durch Spanien stand ich endlich
vor der Kathedrale in Santo Domingo de la Calzada.
Da drin sollte sich also der berühmte Hühnerstall
befinden? Die Legende dazu war mir bekannt. Auch
hatte ich einiges über das Wirken des Weg- und Brückenbauers
Dominikus von der Strasse gelesen. Was sollte es
daran zu zweifeln geben? Hier, in einer Herberge
in Santo Domingo de la Calzada muss es gewesen sein,
wo sich im Mittelalter die Geschichte des "Galgen-"
und des „Hühnerwunders“ abspielte:
Eine
Legende…
Eine
Wirtstochter verliebte sich in einen deutschen Pilger,
der mit seinen Eltern auf dem Weg zum Grab des heiligen
Jakobus in der Herberge eingekehrt war. Der Sohn
aber wollte von der Wirtstochter nichts wissen.
Als Rache für die verschmähte Liebe steckte sie
ihm einen goldenen Becher in den Mantel. Beim Verlassen
der Herberge schrie sie: „Halt, Diebe!“. Schnell
nahmen die Dinge ihren Lauf. Der Jüngling wurde
des Diebstahls überführt, verurteilt und gehängt.
Als die betroffenen Eltern nach vollendeter Pilgerreise
wieder in Santo Domingo de la Calzada vorbeikamen,
fanden sie ihren Sohn lebend am Galgen. „Der heilige
Dominikus hat mich die ganze Zeit gehalten“, sagte
der Sohn. Die Eltern eilten zum Richter, der dies
nicht glauben mochte und meinte: „Euer Sohn ist
genau so tot, wie die zwei gebratenen Hühner, die
gerade aufgetischt werden.“ Kaum gesagt, wuchsen
den Hühnern Federn, sie sprangen vom Spiess und
flatterten vom Tisch. Alle eilten sie zum Galgen.
Man band den Jüngling los, während die Schuldige
rasch gefunden war. Statt des Sohns wurde die Wirtstochter
gehängt.
…unterschiedlich
erzählt
Schon
in Tafers bei Freiburg war ich der Legende begegnet.
An einem Aussenfresko der Jakobskapelle kann man
dort die Darstellung des Hühnerwunders bewundern,
allerdings mit einer Abweichung: Nicht Dominikus,
sondern der heilige Jakobus stützt den Knaben. Heisst
das, die gleiche Geschichte habe sich auch in Tafers
zugetragen? Neugierig geworden, begab ich mich auf
die Suche nach weiteren Abbildungen der Legende
des Galgen- bzw. Hühnerwunders. Ich musste nicht
weit suchen. In der Sakristei der heute christkatholischen
Augustinerkirche in Zürich befinden sich Reste von
Wandmalereien zu diesem Thema. Die dazugehörige
Geschichte stimmt mit der Version von Tafers überein.
Insgesamt habe ich in der Schweiz 10 Orte gefunden,
die an das Galgen- und Hühnerwunder erinnern. Ich
habe sie auf einer eigenen Seite zusammengefasst.
Auch
in Südtirol, Süddeutschland und im Elsass finden
sich zahlreiche Darstellungen des Galgen- und des
Hühnerwunders. Aus der näheren Nachbarschaft seien
erwähnt:
-
Konstanz: Rosgartenmuseum
-
Überlingen: Fresko in der Jodokkapelle
-
Winnenden (Partnerstadt von Santo Domingo de la
Calzada), ehemalige Pfarrkirche St. Jakob, heute
Schlosskirche: Flügelaltar
-
Rothenburg ob der Tauber, evangelische Kirche St.
Jakob: Rückseite des Zwölf-Boten-Altars.
-
Tramin, Südtirol: Fresko in der Filialkirche St.
Jakob in Kastellatz
-
Tschötsch, Südtirol: Fresko in der Filialkirche
St. Jakob in der Mahr (gemalt 1461 vom Maler Leonhard
von Brixen)
-
Colmar: Musée d’Unterlinden: Flügelaltar
Die
Vielzahl der Darstellungen kommt nicht von ungefähr.
Der Hühnerstall in Santo Domingo de la Calzada war
schon immer eine Sensation, und die Legende aus
dem Mittelalter, die sich auf den Pilgerwegen schnell
verbreitet hatte, hat mancherorts Künstler zu Darstellungen
angeregt. Mittelalter? Erst im Juli 2002 wurde an
der Südwand der Jakobuskapelle in Wöllstein ein
grosses, fünfteiliges Gemälde des Priesters und
Künstlers Sieger Köder mit der Darstellung des Hühnerwunders
angebracht. Wöllstein (Gemeinde Abtsgmünd) liegt
am fränkisch-schwäbischen Jakobsweg von Würzburg
nach Ulm.
Die
Legende fasziniert also immer noch. Aber woher stammt
sie? Beweist das Vorhandensein des Hühnerstalls
in Santo Domingo de la Calzada, dass der Ort zugleich
als Ort des legendären Geschehens anzusehen ist?
Warum aber gab es zum Gedenken an das Galgenwunder
einst auch in der Jakobskapelle neben der alten
Fuldaer Stiftskirche einen Hühnerstall? Im Zuge
der Barockisierung wurde der „Hünnner Hort“ abgebrochen,
so dass heute in Fulda keine Spuren mehr davon zu
sehen sind.
In
einem offiziellen Reliquienverzeichnis (Bulle) von
Papst Clemens VI. aus dem Jahre 1350 wird der Hühnerkäfig
in Santo Domingo de la Calzada zum ersten Mal aufgeführt
und als verehrungswürdig eingestuft. Da der jetzige
Käfig aus dem 16. Jahrhundert stammt, muss es einen
Vorgängerkäfig gegeben haben.
Älteste
Überlieferung
Das
Galgenwunder wird im Mirakelbuch des Codex Calixtinus
(2. Buch des Liber Sancti Jacobi) aus dem 12. Jahrhundert
als erstes von insgesamt 22 Wundern erzählt, die
der heilige Jakobus bewirkt haben soll. Diese älteste
Fassung der Legende führt als Ort der Handlung Toulouse,
nicht Santo Domingo an. Das Ereignis fand gemäss
dieser ältesten Quelle im Jahre 1090 statt. Bösewicht
ist der unfreundliche Gastwirt, seine Opfer sind
deutsche Jakobspilger. Eine Wirtstochter tritt nicht
in Erscheinung. In gleicher Form wird die Legende
in der 1293 entstandenen Legenda Aurea des Jacobus
de Voragine erzählt. Allerdings wird dort das Wunder
bereits auf 1020 datiert.
In
späteren Erwähnungen wird das Galgenwunder nach
Gelferate, dem heutigen Belorado, verlegt. Erst
der in Santo Domingo aufbewahrte Codex Calceatense
aus dem 13. Jahrhundert siedelt das Wunder erstmals
in der Stadt des Weg- und Brückenbauers an, wobei
die Opfer nicht deutsche, sondern englische Pilger
sind. Auch rettet nicht Jakobus dem Sohn das Leben,
sondern der Lokalheilige Dominikus.
Im
15. Jahrhundert schmückte Nompar Seigneur de Caumont
die Legende aus. Nompar de Caumont unternahm 1417
eine Pilgerfahrt nach Santiago und berichtete darüber
in seinem Reisebericht „Voiatge a Saint Jaques en
Compostelle et a Notre Dame de finibus terrae“.
Erstmals taucht darin die Wirtstochter als Verantwortliche
für die böse Tat gegenüber dem jungen Pilger auf,
der jetzt wieder ein Deutscher ist. Motiv ihres
Handelns ist verschmähte Liebe.
Allen
unterschiedlich erzählten oder dargestellten Varianten
des Galgen- bzw. Hühnerwunders, denen wir als Jakobspilger
begegnen, gemeinsam ist der Kern der Legende: Pilger
sind auf ihrer Reise auf Menschen guten Willens
angewiesen, die sie gastfreundlich aufnehmen. Die
Gastfreundschaft kann zwar verweigert oder missbraucht
werden. Doch wer aus unlauteren Motiven gegen das
heilige Gebot der Gastfreundschaft verstösst, soll
unmissverständlich wissen, welche Strafe ihn erwartet.
Literatur:
Erich
Baierl ,„Da sprungen due huener zu hant ab dem spiesz…“:
die Legende des Galgen- und Hühnerwunders des hl.
Jakobus mit besonderer Berücksichtigung der Tradition
Frankens.
Würzburg: Fränkische St.-Jakobus-Gesellschaft;
Volkach: Zentgraf, 2004. 77 S., Ill. ISBN 3-928542-56-7.
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