Legenda
aurea. Die Legenda aurea des Jacobus de Voragine.
Aus
dem Lateinischen übersetzt von Richard Benz. Heidelberg
1984.
Legenda
aurea PDF
Jakobus
der Apostel war genannt Jacobus Zebedaei; Jacobus
Bruder des Johannes; Boanerges, das ist: Sohn des
Donners; und Jacobus maior. Er heisst Zebedaei Sohn
nicht nur dem Fleische nach, sondern auch um der
Bedeutung
dieses Namens willen; denn Zebedaeus ist verdolmetscht
einer der giebt, oder einer der gegeben wird; Sanct
Jacobus aber gab sich selbst Gott in seiner Marter,
und ward uns von Gott gegeben zu einem geistlichen
Schutzherren. Er heisst Bruder des Johannes, weil
er nicht nur des Johannes leiblicher Bruder war,
sondern weil er ihm auch gleich war in seinen Sitten;
denn sie waren beide von dem gleichen Eifer, von
der gleichen Begierde des Lernens, und begehrten
die gleiche Verheissung vom Herrn. Sie hatten beide
denselben Eifer, den Herrn zu rächen; denn da die
Samaritaner Christum nicht wollten aufnehmen, sprachen
Jacobus und Johannes ‘Herr, willst du, so sprechen
wir, dass Feuer vom Himmel falle und sie verzehre’.
Sie hatten dieselbe
Begierde der Erkenntnis, denn sie waren es sonderlich,
die Christum fragten über den Tag des Gerichts und
die andern künftigen Dinge. Sie begehrten die gleiche
Verheissung vom Herrn, da sie ihn baten, dass er
sie zu seiner Rechten und zu seiner Linken lasse
sitzen in seiner Herrlichkeit. Jacobus ist auch
Sohn des Donners genannt von der Gewalt seiner tönenden
Predigt, damit er die Bösen erschreckte, die Trägen
aufweckte und alle zur Bewunderung zwang durch ihre
grosse Tiefe. So spricht auch Beda von Johannes,
dass er so mächtig sprach: hätte er nur ein weniges
mehr edonnert, so hätte die ganze Welt ihn nicht
mögen fassen. Dieser Jacobus heisst auch der Grosse,
wie der andre Jacobus der Kleine ist genannt. Erstlich
wegen seiner Berufung, denn er ward früher von Christo
berufen. Zum andern wegen seiner sonderlichen Vertrautheit
mit dem Herrn; denn es scheint, dass er Christo
vertrauter war denn der andere Jacobus; das sehen
wir daraus, dass der Herr ihn zulies zu seiner Heimlichkeit,
als zu der Erweckung des Mägdleins, und zu seiner
Verklärung. Zum dirtten wegen seines Leidens, denn
er erlitt zuerst von den Aposteln das Martyrium.
Denn so er grösser genannt ist als der andere Jacobus,
weil er eher zu dem Apostolat ward berufen, so mag
er auch grösser als jener genannt sein, weil eher
zu Glorie des ewigen Lebens ward berufen.
Jakobus,
der Apostel, des Zebedaeus Sohn, predigte nach der
Himmelfahrt des Herrn duch Judaea und Samaria, und
ging danach gen Spanien, das Wort Gottes auszusäen.
Aber da er sah, dass er nichts ausrichtete und nicht
mehr
denn neun Jünger daselbst erwarb, so liess er zwei
von ihnen daselbst zurück, um zu predigen, die anderen
sieben nahm er mit sich und kehrte wieder gen Judaea.
Meister Beleth schreibt sogar, dass er nur einen
Menschen daselbst bekehrte. Da er nun in Judaea
das Wort Gottes predigte, sandte ein Zauberer, Hermogenes
mit Namen, seinen Jünger Philetus zu ihm mit etlichen
Pharisäern, der sollte ihn vor allen Juden überführen,
dass er Lügen predige. Aber der Apostel überwand
ihn vor allem Volk mit Gründen der Vernunft und
tat viele Wunder vor seinen Augen; da kehrte Philetus
wieder zu Hermogenes und sagte ihm, welche Wunder
Jacobus hätte getan, und dass er seine Lehre wolle
halten und sein Jünger werden; und riet seinem Meister,
dass er dasselbe sollte tun. Da ward Hermogenes
zornig und machte ihn mit seiner Kunst unbeweglich,
also dass er sich nicht
mehr rühren mochte, und sprach ‘Nun wollen wir sehen,
ob dein Jacobus dich löse’. Philetus liess seine
Not dem Jacobus durch seinen Knecht sagen, da sandte
der Apostel ihm sein Schweisstuch und entbot ihm
‘Er soll das Tuch nehmen und sprechen: der Herr
richtet die Zerschlagenen auf und löst die Gebundenen’.
Alsbald Philetus das Schweisstuch hatte berührt,
ward er von dem Bann los, und spottete der Zauberkünste
des Hermogenes
und eilte zu Jacobus. Da ward Hermogenes zornig,
rief seine Geister herbei und gebot iihnen, Jacobus
samt Philetus gefesselt vor ihn zu bringen, dass
er sich an ihnen räche und seine Schüler fürder
nicht ihn also
möchten verspotten. Die Geister kamen zu Jacobus
und huben an in der Luft zu heulen und sprachen
‘Jacobe, heiliger Apostel, erbarme dich unser, denn
sihe , wir brennen vor unsrer Zeit’. Jacobus sprach
‘Warum seid ihr zu mir gekommen?’
Sie
antworteten ‘Hermogenes sendet uns, dass wir dich
und Philetum zu ihm sollten bringen; aber alsbald
wir zu dir kamen, war der Engel Gottes da und band
uns mit feurigen Ketten und peinigte uns sehr’.
Jacobus sprach ‘Der Engel des Herrn gebe euch los,
kehret zu ihm zurück und bringt ihn selbst gefesselt
her vor mich, doch tut ihn nichts zu leid’. Da fuhren
sie hin, packten Hermogenes, banden ihm die Hände
auf den Rücken und brachten ihn also gefesselt vor
Jacobus und sprachen zu ihm ‘Du hast uns dahin gesandt,
da wir gebrannt wurden und gepeinigt’.
Und zu Jacobus sprachen sie ‘Gieb uns Gewalt über
ihn, dass wir die Bosheit rächen, die er dir hat
getan, und das Feuer, das wir gelitten haben’. Sprach
Jacobus ‘Sehet, da steht Philetus vor euch, warum
greifet ihr diesen nicht?’ Sie antworteten ‘Wir
können auch nicht die Ameise anrühren, die in deiner
Kammer ist’. Sprach
Jacobus zu Phileto ‘Lass uns Böses mit Gutem vergelten,
wie der Herr es geboten hat: Hermogenes hat dich
gebunden, so mache du ihn frei’. Also ward Hermogenes
der Fesseln entledigt und stund da mit grosser Scham.
Sprach zu ihm Jacobus ‘Geh frei, wohin du willst,
denn es ist unser Brauch nicht, dass wir einen wider
seinen Willen bekehren’. Sprach Hermogenes ‘Ich
kenne den Zorn der bösen Geister, giebst du mir
nicht etwas von dir, das ich bei mir möge tragen,
so werden sie mich töten’. Da gab ihm Jacobus seinen
Stab, und er ging
hin und brachte alle seine Zauberbücher vor den
Apostel, dass er sie verbrenne. Doch Jacobus wollte
nicht, dass jemand durch den Gestank des Brandes
würde geschädigt, darum hiess er ihn die Bücher
alle ins Meer werfen. Als Hrmogenes das getan hatte,
kam er wieder zu dem Apostel, umfasste seine Füsse
und sprach ‘Retter
der Seelen, empfange die Busse des, des Neid und
Schmähung dich bis jetzt hat verfolgt’. Also hub
er an und ward so vollkommen in Gottes Furcht, dass
viel Zeichen durch ihn geschahen. Da die Juden sahen,
dass Hermogenes
bekehrt war, gingen sie voll Hass zu Jacobus und
straften ihn, dass er den gekreuzigten Jesum predige.
Er aber bewährte ihnen aus der Schrift Christi Geburt
und Leiden gar klärlich; davon wurden viele gläubig.
Abiathar aber, der Hohepriester des Jahres, machte
einen Aufstand unter dem Volk und liess dem Jacobus
ein Seil um seinen Hals legen und ihn vor Herodes
Agrippa führen. Der gebot, dass man ihn enthaupten
sollte. Da er nun zur Richtstätte geführt ward,
lag da ein Lahmer am Wege, der rief Sanct Jacobum
an, dass er ihn gesund mache. Da sprach der Apostel
‘Im Namen Jesu Christi, für den ich nun zum Tode
werde geführet, stehe gesund auf und lobe deinen
Schöpfer’. Alsbald stund der Lahme gesund auf und
lobte Gott. Als das ein Schriftgelehrter
sah, Josias mit Namen, der das Seil um Jacobi Hals
hatte gelegt und ihn führte, warf er sich ihm zu
Füssen bat ihn um Verzeihung und begehrte ein Christ
zu werden. Abiathar liess ihn greifen, als er das
sah, und sprach zu ihm ‘So du nicht auf den Namen
Christi fluchest, so lasse ich dich mit diesem Jacobus
enthaupen’. Josias antwortete ‘Verflucht seist du
und alle deine Tage, der Name unsres Herrn Jesu
Christi aber sei gelobt in Ewigkeit’. Da liess Abiathar
ihm seinen Mund mit Fäusten schlagen. Und sandte
Boten zu Herodes, und gebot, dass man ihn mit Jacobus
enthaupte. Da sie nun beide sollten enthauptet werden,
bat Jacobus den Henker um eine Flasche mit Wasser,
daraus taufte er den Josias. Darnach wurden ihnen
ihre Häupter abgeschlagen, und alos erlitten sie
zusammen das Martyrium.
Es
war aber am 25.März, dass Sanct Jacobus enthauptet
ward, am Tag der Verkündigung des Herrn. Am 25.Juli
ward er überführt nach Compostella, am 30.Dezember
ward er bestattet. Weil aber der Bau seines Grabmals
vom
August bis zum Januar verzogen ward, so setzte die
Kirche auf, dass sein Tag am 25.Juli, als zu besserer
Zeit, allenthalben würde gefeiert.
Nun
erzählt Johannes Beleth, der diese Überführung mit
Fleiss beschrieben hat, dass nach Jacobi Enthauptung
seine Jünger den Leichnam aus Furcht vor den Juden
heimlich bei Nacht nahmen, und taten ihn auf ein
Schiff und empfahlen die Bestattung ganz und gar
Gottes Weisheit; und stiegen dazu und steuerten
nicht, sonder der Engel des Herrn geleitete sie
gen Galicien, daselbst landeten sie in dem Reiche
der Lupa; denn es war in Hispanien eine Königin,
also genannt mit Namen und von Verdienst ihres Lebens
wegen; denn Lupa ist gesprochen
eine Wölfin. Sie trugen den Leichnamaus dem Schiff
und legten ihn auf einen grossen Stein. Aber siehe,
der Stein gab dem Leichnam nach wie Wachs und formte
sich gar wunderbarlich zu einem Sarg. Die Jünger
aber gingen hinein zur Königin und sprachen ‘Unser
Herr Jesus Chrisuts sendet dir den Leichnam seines
Jüngers, dass du ihn tot empfahest, den du lebendig
nicht wolltest leiden’. Und erzählten ihr das Wunder,
wie sie ohne
Steuer zu dem Lande seien geführt, und baten um
einen würdigen Ort, den Leichnam zu bestatten. Als
die Königin das vernahm, sandte sie die Jünger,
als derselbe Meister Johannes Beleth schreibet,
in grosser Tücke zu einem gar grausamen Menschen,
oder, wie andere sagen, zu dem König von Hispanien,
dass sie seinen Rat in der Sache hören möchten;
der liess sie greifen und ins Gefängnis werfen.
Aber dieweil er bei Tische sass, tat ihnen der Engel
des Herrn des Kerkers Tür auf und hiess sie frei
von hinnen gehen. Als das der König vernahm, sandte
er alsbald seine Kriegsknechte hinter ihnen drein,
sie zu fangen. Aber da die Kriegsknechte über eine
Brücke kamen, brach die Brücke, und sie ertranken
alle im Fluss. Da kam Reue über den König, und er
fürchtete für sich und die Seinen. Darum sandte
er Boten zu ihnen und bat sie, dass sie möchten
umkehren, er möchte ihnen alles geben, was sie begehrten.
Also kamen sie wieder zu ihm und bekehrten das Volk
der Stadt zum Christenglauben.
Da die Königin Lupa solches vernahm, betrübte sie
sich sehr; und da dieJünger wieder zu ihr kamen
und taten ihr des Königs Willen kund, sprach sie
zu ihnen ‘Gehet hin und nehmet von meinen Rindern,
die ich auf jenem Berge habe, und schirret damit
den Wagen, so mögt ihr den Leichnam eures Herrn
herführen, und ihm die Stätte bereiten, die ihr
wollt’. Das sagte die Wölfin mit wölfischer Tücke,
denn sie wusste wohl, dass diese Rinder ungezähmte
wilde Stiere waren, und dachte nicht anders, denn
dass diese Stiere sich nicht würden
lassen fangen noch anschirren, oder wann es geshähe,
so würden sie mit Hin- und Widerrennen den Wagen
zerbrechen, den Leichnam herabwerfen und die Jünger
töten. Aber es vermag keine Klugheit wider den Herrn.
Denn siehe, die jünger gingen ohne Wissen um des
Weibes List den Berg hinan; da fanden sie einen
Drachen, der spie Feuer und fuhr wider sie. Sie
aber machten das Kreuzzeichen, da barst ihm sein
Leib mitten durch. Auch über den Stieren machten
sie das Kreuz; da kamen sie herbei zahm wie die
Lämmer; und die Jünger spannten
sie an und legten den Leichnam mitsamt dem Stein,
darauf er ruhte, auf den Wagen, und die Stiere zogen
ihn von selbst ohn eines Menschen Führung mitten
in den Palast der Lupa. Die erschrak, als sie das
sah, und ward davon bekehrt und empfing Christenglauben.
Und gab den Jüngern alles, was sie begehrten, weihete
ihren Palast in Sanct Jacobi Kirche und begabte
die Kirche gar köstlich; und beschloss ihr Leben
in guten Werken.
Es
war ein Mann im Bistum zu Modena, Bernardus mit
Namen, der war gefangen und lag gefesselt in einem
tiefen Turm; und rief ohn Unterlass Sanct Jacobum
an. Da erschien ihm der Heilige und sprach ‘Steh
auf und folge mir gen Galicia’. Alsbald waren seine
Ketten zerbrochen, der Heilige aber war verschwunden.
Also hing der Mensch die Ketten um seinen Hals,
stieg auf die Höhe des Turmes und sprang mit einem
Sprung hinab ohn allen Schaden, da doch der Turm
sechzig Ellen hoch war.
Beda
erzählt dass einer zu etlichen Malen eine grosse
Sünde hatte getan, und der Bischof trauete sich
nicht, ihm Ablass zu geben. Darum sandte er ihn
mit einem Zettel, darauf die Sünde geschrieben stund,
nach Sanct Jacobs Kirche. Am Feste des Heiligen
legte der Mensch den Zettel auf den Altar und bat
Sanct Jacob, dass er durch sein Verdienst die Sünde
tilge. Darnach nahm er das Blatt wieder und fand
die Sünde abgetilgt; und dankte Sanct Jacob und
tat die Geschichte öffentlich kund. ¨
Dreissig
Männer vom Lande Lotharingia pilgerten um das Jahr
des Herrn 1070, als Hubertus von Besançon schreibet,
nach Sanct Jacob, und schwuren bis auf einen einander
Treue und Hilfe in allen Dingen. Da nun einer von
ihnen krank ward, bliebne seine Gesellen fünfzehn
Tage bei ihm, zuletzt aber liessen sie ihn liegen;
und nur der eine, der nicht mit Treue hatte geschworen,
blieb bei ihm und bewachte ihn am Fusse des Berges
Sanct Michael; aber da es Abend ward, starb der
Kranke. Da war der Überlebende gar sehr in Furcht
von der
Einsamkeit
des Ortes, von der Nähe des Toten, von der dorhenden
Dunkelheit der Nacht und von der Wildheit des barbarischen
Volkes. Aber siehe, da erschien ihm Sanct Jacobus
in eines Reiters Gestalt, tröstete ihn und sprach
‘Gieb mir den Toten und setze dich hinter mich auf
mein Ross’. Also ritten sie die Nacht fünfzehn Tagreisen
weit und kamen nochr vor Sonnenaufgang zu dem Berg
der Freuden, der ist eine halbe Meile von Sanct
Jacob; da setzte der Heilige sie beide ab und gebot
dem Pilger, dass er die Canonici von Sanct
Jacob zur Bestattung
des toten Pilgerims riefe; seinen Gesellen aber
sollte er sagen, dass die Wallfahrt nichts gelte,
weil sie ihr Gelübde hätten gebrochen. Der Mensch
erfüllte das Gebot, und erzählte seinen Gefährten,
die sich seiner Reise gar sehr verwunderten, was
Sanct Jacobus ihm hatte gesagt.¨
Calixtus
der Papst erzählt, dass im Jahre 1020 ein Deutscher
mit seinem Sohn zu Sanct Jacob wollte wallfahren.
Als er in der Stadt Toulouse musste Herberg nehmen,
machte der Wirt ihn trunken und versteckte einen
silbernen Becher in seinem Mantelsack. Da sie nun
des Morgens fürbass zogen, lief der Wirt ihnen nach
und hielt sie wie Räuber fest, und schuldigte sie,
dass sie seinen silbernen Becher hätten gestohlen.
Sie sprachen, dass er sie möge zur Strafe ziehen,
so der Becher sich bei ihnen fände. Und da man den
Mantelsack auftat, fand sich der Becher, und sie
wurden alsbald vor den Richter geschleppt, da ward
das Urteil gegeben, dass alle ihre Habe dem Wirt
verbliebe und einer von ihnen werde gehenkt. Der
Vater wollte für den Sohn sterben, der Sohn für
den Vater; zuletzt ward der Sohn gehenkt, und der
Vater zog gen Sanct Jacob weiter mit grossem Trauern.
Über sechsunddreissig
Tage so kam er wieder und verweilte bei dem Galgen,
da noch der Leib seines Sohnes hing, und klagte
über ihn gar jämmerlich. Aber siehe, da hub der
Sohn an zu sprechen und tröstete ihn ‘Liebster Vater,
weine nicht, denn mir war nie so wohl: wisse, Sanct
Jacob hat mich bis zu dieser Stunde gehalten und
mich erquicket mit himmlischer Süssigkeit’. Als
der Vater das hörte, lief er eilens in die Stadt;
und das Volk kam mit ihm heraus, nahmen den Sohn
vom Galgen, der war gar unversehrt, und henkten
den Wirt an seine Statt.
Es
erzählt Hugo von Sanct Victor, dass einem Pilger,
der auf dem Wege zu Sanct Jacob war, der Teufel
in des Heiligen Gestalt erschien. Er sprach ihm
mancherlei von dem Elend des gegenwärtigen Lebens
und verhiess ihm, dass er selig würde sein, wenn
er sich zu seiner Ehre wolle töten. Alsbald zog
der Pilger sein Schwert und
erstach sich. Nun ward der Mann, in des Hause der
Pilger zu Herberg war, des Mordes verdächtig, und
war in grossen Sorgen, dass er sterben müsse. Da
war der Tote plötzlich wieder lebendig und erzählte,
dass der Teufel, der ihm den Tod habe geraten, ihn
schon zur Höllenpein wollte führen: da erschien
Sanct Jacob und entriss
ihn dem Teufel und führte ihn vor den Thron des
Richters. Und ob die Teufel gleich wider ihn klagten,
erlangte Sanct Jacob doch, dass er dem Leben ward
wiedergegeben.
Hugo
der Abt von Cluny erzählt, dass ein Jüngling von
der Mark Lyon oftmals mit grosser Andacht nach Sanct
Jacob pilgerte. Einsmals, da er auch dahin wollte
gehen, fiel er in derselben Nacht in Unkeuschheit.
Da er fürder zog,
erschien ihm eines Nachts der Teufel in Sanct Jacobs
Gestalt und sprach ‘Weißt du, wer ich bin?’ Er antwortete,
er wüsste es nicht. Sprach der Teufel ‘Ich bin Jacobus
der Apostel, zu dem du bisher jeglich Jahr bist
gefahren. Wisse, ich hatte grosse Freude an deiner
Andacht; doch diesmal bist du in Unzucht gefallen,
da du aus deinem Hause gingst, und hast es nicht
gebeichtet, sondern wagst also dich mir zu nahen,
als möchte deine Wallfahrt gott und mir wohlgefällig
sein. Das ist nicht ziemlich, denn wer zu mir pilgern
will, muss zuvor seine Sünden beichten und sie darnach
durch die Wallfahrt büssen’. Nach diesen Worten
verschwand der Teufel. Davon erschrak der Jüngling
gar sehr und beschloss in seinem Herzen, dass er
wieder nach Hause wollte kehren und seine Sünde
beichten, und darnach die Fahrt von neuem beginnen.
Aber siehe, der Teufel erschien ihm abermals in
der Gestalt des Apostels und riet ihm ab von seinem
Vorsatz, und sprach: die Sünde würde ihm nimmermehr
vergeben, er schnitte sich denn sein Geschlecht
ab; besser noch werde er fahren, so er sich töte
und
ein Märtyrer wolle sein für seinen Namen. Des Nachts,
da die andern Gesellen schliefen, nahm der Jüngling
sein Schwert, schnitt sich sein Geschlecht ab und
stiess sich darnach das Schwert durch den Leib.
Als seine Gefährten
erwachten und das sahen, flohen sie, denn sie fürchteten,
man möchte ihnen diesen Mord zur Schuld geben. Als
dem Toten nun das Grab bereitet wurde, war er plötzlich
wieder lebendig; da erschraken sie allesamt und
wollten fliehen, er aber erzählte ihnen, was ihm
geschehen war, und sprach ‘Da ich mich auf des Teufels
Rat hatte getötet, kamen die bösen Geister, packten
mich und führten mich gen Rom; aber siehe, da fuhr
Sanct Jacobus hinter uns drein und schalt die Teufel
um ihre arglist. Sie stritten lange hin und her;
zuletzt brachte Sanct
Jacobus uns auf eine Wiese, da sass die heilige
Jungfrau mit vielen Heiligen im Gespräch. Er bat
bei ihr für mich, da schalt sie die Teufel gar sehr
und gebot, dass ich wieder zum Leben würde erwecket;
und Sanct Jacobus nahm meine Seele und führte sie
wieder in den Leib, als ihr sehet’. Nach drei Tagen,
da nur noch die Narben der Wunden an ihm zu sehen
waren, machte der Jüngling sich wieder auf den Weg,
holte seine Gefährten ein und erzählte ihnen alles,
was ihm geschehen war.
Ein
Mann von Frankreich ging um das Jahr 1100 auf die
Fahrt gen Sanct Jacob, mitsamt seiner Frau und seinen
Kindern; denn er wollte ein grosses Sterben fliehen,
das zu der Zeit in Frankreich war, und wollte auch
Sanct Jacob besuchen. Als er kam zu der Stadt Pampelona,
starb ihm sein Weib, und der Wirt nahm ihm all sein
Geld und das Lasttier, darauf er seine Kinder führte.
Also musste der arme Pilger traurig fürbass ziehen,
und etliche Kinder trug er auf seinen Schultern,
etliche führte er an seiner Hand. Also begegnete
ihm ein Mann mit einem Esel,
der hatte Mitleid mit ihm und lieh ihm den Esel,
dass er die Kinder darauf führe. Da er nun zu Sanct
Jacob gekommen war und im Gebet wachte, erschien
ihm der Apostel und sprach ‘Kennst du mich nicht?’
Der Pilger antwortete, er wüsste nicht, wer er wäre.
Da sprach der Heilige ‘Ich bin der Apostel Jacobus
und habe dir meinen Esel geliehen, und leihe ihn
dirabermals, damit du heimkehren magst; doch sollst
du allbereits wissen, dass der böse Wirt von seinem
Söller sich wird zu Tod fallen und dir alles soll
wieder werden, das er dir hat genommen’. Es geschah
alles, wie er gesagt hatte und der Pilger zog fröhlich
heim. Und da er die Kinder von dem Esel nahm, war
der Esel alsbald verschwunden.
Ein
Kaufmann war von einem Tyrannen wider das Recht
beraubt und in das Gefängnis geworfen worden. Da
rief er Sanct Jacob um Hilfe an mit ganzer Andacht.
Und Sanct Jacob erschien ihm, ob die Wächter gleich
wachten, und führte ihn oben auf den Turm. Da neigte
der Turm sich also, dass seine Spitze der Erde gleich
ward, und der Kaufmann konnte ohn einen Sprung herabsteigen
und ging frei von dannen. Die Wächter wollten ihn
verfolgen; aber ob sie gleich neben ihm liefen,
mochten ihre Augen ihn doch nicht sehen.
Es
geschah, dass drei Ritter aus der Diöcese Lyon zu
Sanct Jacob pilgerten. Auf dem Wege nahm der eine
von ihnen um Sanct Jacobs willen den Sack eines
alten Weibes, das ihn darum bat, mit auf sein Pferd.
Darnach sah er einen
Kranken halb tot am Wege liegen; da stieg er ab,
setzte den Kranken auf sein Pferd, nahm den Sack
des Weibes und den Stab des Kranken auf den Rücken
und ging also nebendem Pferd. Aber da sie gen Galicia
kamen, brach er von der Hitze der Sonne und der
Mühe des Weges zusammen und fiel in eine schwere
Krankheit.
Seine Freunde fragten ihn, wie es um das Heil seiner
Seele stünde; aber er blieb drei Tage stumm. Am
vierten Tage, da die Freunde seines Todes warteten,
erseufzte er tief und sprach ‘Dank sei got und Sanct
Jacob, durch des Verdienst ich erlöst bin. Denn
wisset, als ich wollte tun, des ihr mich mahntet,
da kamen die Teufel zu mir und würgten mich also
sehr, dass ich nichts mochte reden, meine Seele
zu retten. Ich hörte euch wohl, doch ich konnte
nicht antworten. Darnach aber erschien Sanct Jacobus,
in seiner Linken trug er den Sack des Weibes, in
seiner Rechten den Stab des Bettlers, denen ich
beiden unterwegs hatte geholfen; undhielt den Stab
wie einen Speer und den Sack wie einen Schild vor
sich und fuhr damit als im Zorn wider die bösen
Geister; die erschraken vor dem aufgehobenen Stab
und flohen. Also hat mich Sanct Jacobs Gnade erlöst
und mir die Sprache wiedergegeben. Nun ruft den
Priester, denn ich mag nicht mehr lange in diesem
Leben sein’. Und wandte sich zu dem einen seiner
Gesellen und sprach zu ihm ‘Freund, diene deinem
Kriegsherrn nicht fürder, denn er ist wahrlich verdammt
und wird bald eines bösen Todes sterben’. Als der
Ritter begraben war, ging der Geselle hin und sagte
das seinem Herrn. Der aber achtete des nicht, und
wollte sich nicht bessern; da ward er kürzlich darnach
im Streite von einer Lanze durchbohrt und starb.
Calixtus
der Papst erzählt, dass ein Mann von Vezelay auf
der Wallfahrt zu Sanct Jacob war ohne Geld; doch
schämte er sich zu betteln. Als er nun unter einem
Baume ruhete, träumte ihm, Sanct Jacob führe ihn
auf die Weide. Da er erwachte, fand er ein Brot,
das in Asche gebacken, zu seinen Häupten liegen.
Davon lebte er fünfzehn Tage, bis er wieder heim
kam; und jegliches Tages ass er sich zweimal von
dem Brote satt und fand es doch des andern Tages
immer wieder ganz in seiner Tasche.
Calixtus
der Papst erzählt auch, dass ein Bürger von der
Stadt Barcellona um das Jahr 1100 zu Sanct Jacob
kam und nichts anderes von ihm begehrte, denn dass
ihn hinfort kein Feind möge fangen. Da er nun heimfuhr
über Sicilien,
ward er von den Saracenen gefangen und etliche Male
von ihnen auf dem Markte verkauft; aber immer fielen
die Ketten von ihm, mit denen man ihn band. Nun
war er schon dreizehnmal verkauft und ward mit doppelten
Ketten gefesselt, da rief er Sanct Jacob an; und
der Apostel erschien ihm und sprach ‘Weil du in
meiner
Kirche leibliche Freiheit begehrt und das Heil der
Seele hast vergessen, darum bist du in diese Fährlichkeit
kommen; aber der Herr ist barmherzig, darum sendet
er mich zu dir, dass ich dich erlöse’. Alsbald sprangen
die Ketten und der Mann ging frei durch die Lande
und Burgen der Saracenen heim in sein Land und trug
zum Zeichen des Wunders noch einen Teil der Kette
mit sich, und alle verwunderten sich, die ihn sahen.
Aber so jemand ihn fangen wollte, musste er beim
Anblick der Kette alsbald erschreckt von dannen
fliehen. Als er durch die Wüste wanderte, wollten
Löwen und andere wilde Tiere sich auf ihn stürzen,
aber da sie die Kette sahen, furh solche Furcht
in sie, dass sie sich alsbald zur Flucht wandten.
Im
Jahre 1238 geschah es an Jacobi Abend auf der Burg
Prato zwischen Florenz und Postoja, dass ein Jüngling
in bäuerischer Einfalt Feuer an das Korn seines
Vormunds legte, aus Rache dafür, dass derselbige
ihn um sein Erbteil
wollte bringen. Er ward darüber ergriffen, gestand
seine Tat und ward verurteilt, einem Pferde an den
Schweif gebunden und darnach verbrannt zu werden.
Er beichtete und befahl sich in Sanct Jacobs Hut;
und ob er gleich nur mit einem Hemd bekleidet über
felsigen Boden geschleift ward, blieb er doch unversehrt,
und war auch an seinem Hemd kein Schaden zu sehen.
Darnach ward er an den Pfahl gebunden und ward Holz
rings um ihn geschichtet: das Holz und die Fesseln
verbrannten; ihm selbst aber, der ohn Unterlass
Sanct Jacob anrief, tat das
Feuer keinen Schaden. Als man ihn zum andern Male
ins Feuer wollte werfen, riss ihn das Volk heraus
und pries Gott laut in seinem Apostel.
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at wanadoo.fr - 09/12/2012
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